„Fildergold“ aus Möhringen

Vor 175 Jahren gründete Johann Carl Widmaier in der Richterstraße eine Brauerei

 

Bis heute finden sich Spuren der wirtschaftlichen Vergangenheit des Richterviertels in dessen Gebäudestruktur und insbesondere dem ausgedehnten Kellersystem darunter. Am Ortsrand Möhringens erinnert der Riedsee an die schwierigen Kühlmöglichkeiten für Getränke und Lebensmittel in vergangenen Zeiten.

 

Von Sonja Mailänder

 

Im Jahr 1845 ersuchte ein junger Mann namens Johann Carl Widmaier das Bürgerrecht in Möhringen, das er dank des großen Heiratsguts seines Vaters, eines Brauereibesitzers in Magstadt, auch erhielt. Er erwarb mehrere Gebäude in der Richterstraße und stellte kurz danach den Antrag, dort eine eigene Bierbrauerei gründen zu dürfen. Bereits ein Jahr später, als er die Müllerstochter Anna Barbara Münsinger aus Ostelsheim heiratete, konnte er diese samt den dazugehörigen Einrichtungen mit in die Ehe einbringen. Angegliedert war auch die Gastwirtschaft „Zum Rössle“, in der das helle „Fildergold“ und dunkle Lagerbiere angeboten wurden. Sein Wohnhaus, ein mächtiger Fachwerkbau, steht bis heute in der Richterstraße. Unter dem Brauereigelände wurden Keller zur Lagerung der Bierfässer ausgehoben, die man im Laufe der Zeit immer weiter in die Tiefe trieb. Noch heute existiert dieses Kellersystem, zu dem auch der als Veranstaltungsraum genutzte „Richterkeller“ gehört. In den 1880er-Jahren kaufte Widmaier zusätzlich die Zehntscheuer des Spitalhofs als Lagerraum. Außerdem erschloss er sich das Wasser des dortigen Brunnens, nachdem er sich bereits sämtliche Quellen im Bereich des Richterviertels nutzbar gemacht hatte.

 

Verkauf der Brauerei

 

Da sich die Biere Widmaiers bald überregionaler Beliebtheit erfreuten, erbrachte die Brauerei nicht nur dem Eigentümer hohe Gewinne, sondern der Gemeinde auch erhebliche Steuereinkünfte. Außerdem führte sie zum Aufschwung heimischer Handwerkszweige wie etwa der Küfereien, Schmieden oder Wagnereien. Auf den Feldern rund um Möhringen wurden vermehrt Gerste und Hopfen angebaut. Nach dem Tod des Gründers im Jahr 1901 ging die Brauerei an dessen Sohn Carl Widmaier jr. (1859–1938) über, der die technischen Installationen nochmals modernisierte und die Kellerräume weiter ausbaute. Da er jedoch von Beruf Arzt war, wollte er die Unternehmensnachfolge nicht längerfristig fortführen und veräußerte die Einrichtungen 1912 an die Großbrauerei „Wulle“ in Stuttgart. Die Gebäude des Richterviertels erwarben die Filderkrautzentrale und wohlhabende Privatpersonen.

 

Carl Widmaier jr. engagierte sich aber weiterhin für das öffentliche Leben Möhringens. So war er Gemeinderatsmitglied und Aufsichtsrat der Filderbahngesellschaft. Im Jahr 1910 verkaufte er der Gemeinde das Grundstück für den Bau der Karlsschule und finanzierte die bis heute dort angebrachte große Uhr an deren Fassade, als das Gebäude fertiggestellt war.

 

1913 erhielt er für seine Verdienste die Ehrenbürgerschaft Möhringens.

 

(Artikel aus Möhringen Aktuell, KW 11/2021)

 

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